Die große Show „Sayonara Tokyo“ im Berliner Wintergarten nimmt den Zuschauer mit auf eine Reise durch die schrille und quirlige Seite Japans. Dabei wird ein breites Spektrum von Japan präsentiert und dies möglichst humorvoll. Es wird viel mit Vorurteilen gegenüber Japan gespielt und diese werden überspitzt dargestellt. Es wird viel getanzt und gesungen, was oft als Überleitung zu den verschiedenen Artistikeinlagen genutzt wird. Dabei führen drei Damen die Zuschauer durch den Abend und tun auch das zu einem Großteil der Zeit mit einem Augenzwinkern.
Ich habe schon einige Shows beim Wintergarten besucht und war auch schon bei größeren Shows im Friedrichstadt Palast, würde also sagen, dass ich genug gesehen habe um Vergleiche zu ziehen. Ich muss der Aussage von einigen Zuschauern zustimmen, dass es tatsächlich weniger Artistik und mehr Gesang gab. Das empfand ich allerdings eher als positiv. Da in der Regel das Akrobatische überwiegt und die Geschichte etwas zu kurz kommt, fand ich es äußerst erfrischend, dass der Focus etwas mehr auf dem Gesang lag. Es wirkte für mich einfach stimmig und gut „getimed“. Sehr innovativ fand ich auch den Einsatz eines hydraulischen Roboterarmes, der für sehr verschiedene Zwecke zum Einsatz kam. Unter anderem als Trommel, auf der der Balance-Meister “Senmaru” quasi hin- und her ritt wärend er trommelte.
Mir persönlich hat der Einstieg ziemlich gut gefallen, es ging mit Ausschnitten aus einem älteren japanischen Film aus den 60er oder 70er Jahren los und ich liebe die Estetik dieser Zeit einfach. Der Übergang zur Show was auch sehr gut gemacht. Die drei Damen, die durch die Show führten, hatten Kleider an, die vom Stil dieser Zeit inspiriert waren. Besagte drei Damen repräsentierten drei Sprachen: Japanisch, Englisch und Deutsch und führten Anfangs auch in allen drei Sprachen durch die Show und dieser Dialog-Mix hat mir sehr gut gefallen. Leider wurde dieser ausgewogene Mix später immer weniger und das Japanische nahm etwas überhand. Schade eigentlich, ich fand den Einstand durchaus gelungen. Nicht-Japansiche-Sprechende konnten späteren den Dialogen nur noch bedingt folgen oder garnicht folgen. Ich hatte kein Problem, da ich Japanisch spreche, aber ich gehe davon aus, dass der Löwenanteil des Publikums das nicht konnte. Leider ein wenig verschenktes Potential bei so einem guten Ansatz.
Den Auftritt des Jojo-Meisters „Naoto Okada“ als „Nobita“ wurde unter einigen japanischen Zuschauern zwar etwas kontrovers aufgenommen, ich empfand ihn allerdings als äußerst gelungen, da die schauspielerische Leistung von Naoto einfach nur exzellent war und er den Charakter von Nobita zu 100% eingefangen hat und das während er seine unglaublichen Jojo Kunststücke verführte. Es gab auch wirklich wunderschöne Momente wie den Auftritt einer Tänzerin, der an eine bekannt Szene des Filmes „Die Gaisha“ angelehnt war. Dieser Tanz hatte etwas Anmutiges, Elegantes und ohne Worte vermittelte Sie auch eine gewisse Traurigkeit bzw. Tragik. Die grundsätzliche Stimmung von Sayonara Tokyo war auf jeden Fall sehr fröhlich, allerdings hatte eine Performance ein wirklich sehr ernstes Theme, den Atombombenabwurf auf Hiroshima. Das hat mich sehr überrascht und war zwar abstrakt, denoch so gut dargestellt, dass sich ein Klos im Hals breit gemacht hat. Die Sängerin stand dabei auf einer roten Kugel, die anscheinend zwei Dinge darstellen sollte, einmal Japan (die japanische Flagge besteht aus einem rotem Kreis auf weißem Grund) und zum Anderen die Atombombe, bzw. die Explosion der Bombe. Die Kugel bewegte sich samt Tänzerin und um sie herum tanzten Menschen mit zerfetzter Kleidung, die die Opfer dieser Katastrophe darstellen sollten. Wirklich gut gemacht und unerwartet.
Für den zweiten Teil der Show wurde ein ganz besonderer Künstler verpflichtet, einer der bekanntesten Japaner im deutschsprachigem Raum: Takeo Ishii. Als er vor vielen Jahren zu uns kam wurde er als japanischer Jodler erst nur belächelt, konnte aber in kürzester Zeit eine große Fangemeinde gewinnen. Ob nun im Jodeln oder beim Gesang, ob deutsche oder japanische Texte, ernst oder witzig, dieser Mann ist der geborene Entertainer und es macht einfach Spaß ihm zuzusehen und zuzuhören. Wenn man zum ersten mal einen seiner bekanntesten Songs hört “Bibi Hendl” guckt man etwas verdutzt, weil es schon etwas albern ist, wenn sich Takeo wie ein Huhn bewegt und dazu dessen gegacker nachamt. Aber aus dem Kopf bekommt man den Song dann nicht mehr. Takeo präsentiert auch die Unterschiede beim deutschen, österreichischen und schweizer Jodeln. Bei späteren Songs zeigt er, dass er auch japanische Volkslieder zum besten geben kann.
Abschließend kann ich sagen, dass „Sayonara Tokyo“ ein großer bunter Haufen Spaß ist, der die Reize überflutet. Vielleicht wird ein bisschen zu sehr versucht, dass etwas klischeehafte Bild, was wir Deutschen von Japan im Kopf haben, zu präsentieren, aber über das kann ich leicht hinwegsehen, da der Unterhaltungswert mehr als gegeben ist. Es steckt viel Arbeit und Liebe zu Detail in der gesamten Show und ich kann nur jedem empfehlen selbst sich ein Bild zu machen, denn sehenswert ist „Sayonara Tokyo“ auf jeden Fall. Wer jedoch nicht viel über Japan weiß, dem lege ich ans Herz nicht alles der Show zu ernst zu nehmen und sich vielleicht auch an anderer Stelle mit der Kultur Japans auseinander zu setzten.
Im 2. Teil des „Sayonara Tokyo“ Berichts könnt ihr die ausführliche Meinung unserer Redakteurin „Rike-Chan“ lesen, für die dies die erste Varieté-Erfahrung ihres Lebens war.
Abschließend haben wir noch ein paar Künstler der Show gefragt, was sie an “Sayonara Tokyo” interessant finden. Auf die kompletten Interviews mit den Künstlern müsst ihr leider noch ein bisschen warten.
Senmaru (Daikagura Künstler)
Was Deutsche interessant finden, unterscheidet sich von dem was Japaner interessiert. Für die Deutschen ist die Show in beiden Fälle interessant, ob sie sich nun für Japan interessieren, oder nicht. Und für Varieté-Fans bietet die Show Akrobatik. Auch Menschen, die Shows mit einem anderem Stil mögen, können die Show genießen. Für Japaner ist es bestimmt lustig, wie eine japanische Show wird, wenn sie von einem Deutschen gemacht wird.
Naoto Okada (YO YO Artist)
Ich bin bis jetzt ein paar Mal bei Varietés aufgetreten. Die Show Sayonara Tokyo ist echt besonders und ich habe keine Ähnliche gesehen. Das Thema ist Japan, deswegen habe ich als Japaner natürlich eine Meinung. Ich finde es gut, wie in der Show verschiedene japanische Elemente gemischt wurden. Wenn auf der Bühne die japanischen Faktoren gemischt werden, wird die Show so. Es gibt in Japan nichts Ähnliches. In den klassischen japanischen Varieté-Shows erscheint ein Vorsitz. Sie haben Geschichte, aber sind, meiner Meinung nach, grundsätzlich alle ähnlich. Also das Publikum findet Varieté-Show schön, obwohl sie schon etwas Ähnlichen gesehen hat. Aber die Show „Sayonara Tokyo“ ist ganz anders, deswegen, wenn man etwas anders sehen möchte, ist die Show sehr gut.
Arisa Meguro (Akrobatik Künstlerin)
Die Beleuchtung, der Roboterarm, die Dekorationen und die Künstler bilden ein perfektes Zusammenspiel. Die Bewegungen von Künstlern sehen auf der Bühne kompliziert aus, weil wir gar keine Beleuchtung oder die Dekorationen sehen können. Während der Übungen habe ich mich gefragt, ob die Show wirklich in gut gemacht wird. Vor der Vorschau war die Show noch nicht fertig, deswegen habe ich erst danach das Video gesehen, dann fand ich sie sehr gut.
Takeo Ishii (Jodler, Sänger)
Ich möchte, dass Sie die Show genau ansehen. Die ganzen Darstellungen aller Künstler sind wichtig. Wenn einer fehlt ist die Show nicht ganz. Außerdem ich möchte, dass Sie japanische Kultur kennen lernen. Man kann hier, meiner Meinung nach, die Kultur von Japan, China und Korea nicht wirklich unterscheiden. Sie wissen nicht, dass es auch Unterschiede gibt. Deswegen nichts ist besonders interessant. Alles ist Highlight.
Takushi Minagawa (Sänger)
Auch wenn Sie grundsätzlich Japan mögen, können Sie trotzdem nicht so viele japanische Lieder kennen, wie in der Show vorkommen. Der Tanz mit der Begleitung von klassischen, modernen und sehr berühmten Liedern ist sexy, und er ist auch für die Künstler spannend. Sie bekommen ein schönes Bild mit besonderen Kostümen von ausgezeichneten Designern und gefühlvollem Gesang. Die Show ist wie eine Feier, sie wird zu keinem Zeitpunkt langweilig. Nach der Show sind Sie Japankenner!
Seid gespannt auf die nächten Teile unserer großen Sayonara Tokyo Review!