Hokkaido

3750 km in 7 Tagen
Dieses Mal möchte ich über meine ganz persönliche und subjektive Erfahrung bei meinem ersten Trip nach Hokkaido berichten. Ich und meine Frau sind Anfang April mit dem Auto dorthin gefahren und haben eine Rundreise auf eigene Faust unternommen. Aber vielleicht erst einmal ein paar Infos für euch, Hokkaido ist die zweitgrößste der vier Hauptinseln und zugleich die größte Präfektur Japans. Von Tokyo sind wir Richtung Norden bis zur Küste der Hauptinsel Honshu gefahren, wo wir dann mit der Fähre nach Hokkaido übergesetzt sind. Grob gesagt sind wir dann einmal um Hokkaido herum gefahren und dann auf dem selben Weg wieder zurück, alles in allem haben wir in 7 Tagen ganze 3750 km zurückgelegt.

Natur Pur
Wir sind hauptsächlich wegen der Landschaft und Natur nach Hokkaido gefahren und wurden nicht enttäuscht. Es war sehr beeindruckend und einfach nur schön, vor allem die Region an der Nord und der Nord-Ost Küste. Wenn von euch jemals Jemand planen sollte nach Japan zu kommen, kann ich euch nur raten Hokkaido mit einzubeziehen. Wir hatten nicht viele Ziele, aber die die wir hatten, lagen sehr weit auseinander. Viel außer schöner Landschaft gibt es in Hokkaido nämlich nicht. Zeitlich lag es auch noch vor der Saison, wegen des milden Klimas im Sommer und den enormen Schneemengen im Winter ist die bevorzugte Reisezeit Juni bis September.

North-Point
Eines der Hauptziele war der nördlichste Punkt Japans, um diesen zu erreichen mussten wir also erstmal ordentlich fahren. Eigentlich ist dort nichts besonderes, nur ein paar Läden, ein Leuchtturm und eine Art Denkmal oder so was, welches zeigt, dass man sich am nördlichsten Punkt von Japan befindet. Wir hatten zuvor auch schon ein Bad im nördlichsten Onsen Japans genommen und den nördlichsten Bahnhof besucht. Wie gesagt, es gib dort nicht sehr viel Mehr als eine wunderschöne Natur und daher sind die Touristenziehle etwas Andere, als in anderen Regionen Japans.

Packeis
Nachdem wir uns vom „North-Point“ aus an der Küste immer weiter Richtung Osten bewegten wurde auch das auf dem Meer schwimmende Packeis dichter. Es waren sicherlich eher die Reste – es war ja schon ende März und tagsüber immer Plusgrade – aber dafür war es recht viel. Muss beeindruckend aussehen wenn man sich im Winter dort aufhält.

Geschwindigkeitsbegrenzung?
Dass die Japaner allgemein nicht viel von den runden Schildern mit der Zahl in der Mitte halten war mir ja bekannt, aber die Einheimischen in Hokkaido haben wohl nie gelernt was diese bedeuten. Die allgemeine Überschreitung der Geschwindigkeit liegt in Japan so bei 20 – 30 km/h über dem was erlaubt ist, weil ab 31 km/h erhöhter Geschwindigkeit der Führerschein weg ist und auch Blitzer erst dann los gehen. In Hokkaido hingegen scheint allgemein die Regel mal zwei zu gelten. Auf normalen Straßen darf man 50 km/h fahren, genau wie bei uns. Der langsame Hokkaidoer fährt so ca. 80 km/h, der durchschnitt so um die 100 km/h und wenn man es eilig hat ist auch schon mal 120 km/h drin. Blitzer sind dort eher die Seltenheit und weil zwischen den Dörfern keine Ampeln existieren und man Polizei auch eher selten antrifft fährt wohl jeder „etwas“ schneller als erlaubt. Jedenfalls konnten wir dadurch ordentlich Strecke machen.

Einer dieser magischen Momente
Wir waren gerade auf dem Weg zu einem kostenlosem Onsen (natürliche heiße Quelle zum Baden) als wir kurz angehalten haben um nach einem Fußbad zu suchen, welches sich am selben See wie besagtes Bad befand. Wir haben es tatsächlich gefunden, es war zwar mitten in der Nacht außer betrieb, dafür war dort aber noch etwas Anderes. Durch die heiße Quelle die am Strand in den See fließt ist das Wasser dort warm und darum haben wir dort viele Schwäne entdeckt die dort nächtigten und überhaupt nicht scheu oder aggressiv waren. Der Vollmond hat sich zusammen mit Jupiter im halb gefrorenen See gespiegelt und der Himmel war Sternenklar. Dazu noch diese absolute Ruhe mit fast lautlosem plätschern des Wassers, ab und zu ein dezentes quieken der Schwäne und die Kalte frische Luft im Gesicht. Da hatte ich ein absolutes Gefühl der inneren Zufriedenheit, weiß nicht wie ich es genauer beschreiben soll, aber es war auf jeden Fall Gänsehaut-Mäßig.

Onsen am See
Das kostenlose Bad befindet sich nur 5 Meter vom See entfernt und ist zu jeder Zeit zugänglich. Während wir also im ca. 40°C warmen Bad, bei -8°C Außentemperatur, saßen hatten wir einen wunderschönen Blick auf Mond und Sternenhimmel. Außerdem haben auch dort Schwäne geschlafen, nur wenn man sich etwas mehr gezeigt hat wurden diese etwas lauter, weil sie Futter erwarteten. Es kam dann noch ein Japaner dazu mit dem wir einen netten Plausch hatten. Wir haben dann beschlossen auch dort zu nächtigen, natürlich nicht im Bad, aber im Auto auf dem Parkplatz, auch weil sich dort eine beheizte öffentlich Toilette befand. Am nächsten Morgen sind wir dann um den Kreislauf anzukurbeln und wach zu werden nochmal ins Bad. Und Überraschung, der nette Herr vom Abend davor kam auch wieder. Nach dem Bad haben wir uns dann nochmal die Schwäne bei Tageslicht genauer angesehen. Ich persönlich hätte mir keinen schöneren Ort für ein warmes Bad vorstellen können.

Die Ureinwohner Hokkaidos
In Hokkaido gibt es noch Nachfahren eines Urvolkes, welche vor allem ihre Handwerkskunst weiter leben lassen. Es ist wohl vergleichbar mit Amerika und den Indianern und genau wie in Amerika wurde ihnen ihr Land weg genommen und sie sind nach und nach verschwunden. Vielleicht haben die Japaner dies bezüglich ein schlechtes Gewissen und man findet deshalb überall Museen zu diesem Thema. Der Name dieses Urvolkes ist „Ainu“ und wir haben das noch größte verbleibende Dorf besucht. Die Häuser sind dort ganz normal, bis auf die Tatsache, dass überall Schnitzereien zu finden sind. Mit den Schnitzereien werden die Touristen angelockt und deshalb gibt es dort sehr viele Geschäfte die diese verkaufen. Sicherlich sehr beeindrucken und schön, aber um ehrlich zu sein, trotz aller Schönheit und Handwerkskunst ist es etwas schwierig sich solche Sachen in die Wohnung zu stellen? Allerdings hatte ich nach dem besichtigen der Geschäfte echt Lust selber etwas zu schnitzen. Bei der Fahrt durch die Stadt hat etwas unser Interesse geweckt, wir dachten erst es wäre Eisangeln, hat sich aber als falsch heraus gestellt. Es waren die Vorbereitungen für ein Schneemobil-Rennen auf einem zugefrorenem See. Auf diesem See haben wir auch geparkt um uns das genauer anzusehen. Ist schon ein wenig schräg, wenn das Navi anzeigt, dass sich das Auto gerade auf Wasser befindet. Man konnte nämlich nicht wirklich unterscheiden wo jetzt noch Strand aufhört und der See anfängt.

Abgefahrene Burgerkette
So gegen 23 Uhr waren wir einen Abend auf der Suche nach was essbaren, was sich selbst in einer etwas größeren Stadt als äußert schwierig herausgestellt hat. Ich hab denn nach einer Weile herum fahren eine sehr helle Häuserfassade entdeckt. Es war tatsächlich ein Restaurant welches Burger und Curry angeboten hat. Vor außen sah der Laden ja schon schräg aus, aber innen. Das „Thema“ dieses Restaurants war der Weihnachtsmann – Ja richtig gehört. Ich habe echt keine Ahnung wie lange es gedauert hat diesen ganzen Kitsch und Dekokram zusammen zu sammeln, aber die Weihnachtsmänner dort hätten als Deko für alle Familien in Berlin gereicht. Das war selbst für japanische Verhältnisse echt eine Reizüberflutung. Bin aus dem Schmunzeln nicht mehr raus gekommen. Von dem sehr speziellem Hintergrund mal abgesehen waren die Burger, der Milchshake und die frittierte Kartoffel echt super lecker.

Aktive Vulkane
Das war für mich besonders faszinierend. Die Landschaft sah schon aus wie auf einem anderen Planeten, ein wenig unwirklich, überall stieg Rauch auf, der Boden und die Felsen hatten die unterschiedlichsten Farben und ein leicht beißender Schwefelgeruch lag in der Luft. Es gab dort einen Geysir, der jede Stunde für 15 Minuten bei lautem Getöse ordentlich heißes Wasser spuckt – 80°C heißes Wasser. Sah schon ein wenig gefährlich und unheimlich aus. Über einer anderen Quelle konnte man mit den Händen erahnen wie heiß es sein muss, dort waren es sogar 82°C.

Fußbad
Auf dem Weg zu einem heißen See sind wir durch die Berge gekraxelt und haben die Aussicht auf die Landschaft genossen. Der Weg führte uns dann weiter an einem kleinem Rinnsal entlang bis zu einem Punkt wo man die Füße baden konnte. Dort stand noch eine Warnung, dass man während der aktiven Phase doch bitte nicht ins Wasser gehen sollte weil es zu heiß wird. Die Temperatur schwankt nämlich je nachdem was da gerade unterirdisch so los ist. Kann also durchaus sein, dass die Temperatur 60°C beträgt und das konnte dann doch etwas in den Beinen zwicken.

Gefängnis
Ein Gefängnismuseum war auch eines unserer Ziele, dort konnte man ein in den 80ern ausgemustertes Gefängnis besichtigen. Berühmt ist es vor allem dadurch, das die Gefangen als Strafe Landwirtschaft betreiben und Straßen bauen mussten. Nur durch diese Gefangenen war es in kurzer Zeit möglich die erste befestigte Straße quer durch Hokkaido bis an die Nordküste zu bauen. Das war in soweit wichtig weil Japan einen Angriff Russlands dort befürchtete und Soldaten sowie Nachschub schnell dorthin geschafft werden mussten. Dabei sind wohl auch viele Gefangenen gestorben und das Museum ehrte diese auch, was ich für eine etwas seltsame Moral halte. Die Gefangenen, die dort untergebracht waren verbüßten zum größten Teil lebenslange Haftstrafen und waren sicher keine Heiligen. Sicherlich wurden Sie nicht gut behandelt, aber dass daraus jetzt eine Theatralische Geschichte gemacht wird und die Häftlinge jetzt als Helden gefeiert werden finde ich mehr als unangebracht. Man muss natürlich neutral und sachlich darauf hinweisen, dass Menschenrechte verletzt wurden und das falsch war, aber gleichzeitig sollte auch jedem klar sein, dass dort keine Taschendiebe, sondern Mörder und ähnliches untergebracht waren. Das rechtfertigt sicherlich nicht deren Behandlung, aber macht sie auch noch lange nicht Märtyrern. Aber diese seltsame Selbstreflexion ist in Japan sehr verbreitet und bei schlechten und schrecklichen Sachen werden gerne die Augen verschlossen. Das Paradebeispiel dafür sind Japans taten im 2. Weltkrieg, worüber so gut wie kein selbstkritischer Dialog herrscht. Für Deutsche sicherlich schwer zu verstehen, weil bei uns schon fast zu viel Selbstkritik in diesem Fall herrscht. Aber das ist ein anderes und sehr umfangreichen, sowie kompliziertes Thema.

Gute Reise… euer Sanjuro

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